Partizipation in Friedensprozessen:
Frauen sind auf besondere Art von bewaffneten Konflikten und Gewalt betroffen. Von formellen Friedensprozessen oder der Übergangsjustiz nach Beilegung eines Konflikts bleiben sie jedoch häufig ausgeschlossen, obwohl sie in zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für ein friedliches Zusammenleben engagieren, stark vertreten sind. Gemeinsam mit unseren Projektpartner:innen setzen wir uns für eine wirksame Beteiligung von Frauen an friedensfördernden Prozessen ein.
Formale Friedensprozesse sind kritische Zeitfenster, in denen die künftige Gesellschaftsordnung ausgehandelt wird. Sie bieten die Möglichkeit, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, darunter auch ausschliessenden Geschlechternormen, die Mitgrund für den Konflikt waren, entgegenzuwirken. Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen bei der Stärkung der Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen oft eine bedeutende Rolle.
Teilhabe von Frauen an Übergangsprozessen
Zusammen mit unseren Projektpartner:innen in Kolumbien, Nepal und den Philippinen unterstützen wir konfliktbetroffene Frauen dabei, ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Forderungen in die Prozesse nach dem offiziellen Ende der bewaffneten Konflikte einzubringen. So tragen sie konkret zur Übergangsjustiz (Transitional Justice) bei. Übergangsjustiz bezeichnet die Prozesse, die den Übergang zu einer nachhaltig friedlichen und sicheren Gesellschaftsordnung ermöglichen. Um einen echten sozialen Wandel einzuleiten, müssen Frauen und marginalisierte Gruppen in diesen Übergangsprozessen gehört werden und daran beteiligt sein.
Seit mehreren Jahren führen unsere Projektpartner:innen Comunitar in Kolumbien, Nagarik Aawaz in Nepal und das Gaston Z. Ortigas Peace Institute in den Philippinen FrauenFriedensTische durch, sowohl in Städten wie in ländlichen Gebieten. Dort arbeiten die Teilnehmer:innen ihre Erfahrungen von Gewalt und Widerstand auf und erarbeiten gemeinsam Strategien, um ihre Forderungen als Kollektiv in Friedens- und Übergangsjustizprozesse und in die Konflikttransformation einzubringen. Die FriedensTische dienen als sicherer Raum für Austausch und Vernetzung.
Grenzüberschreitender Austausch
Wir unterstützen auch den Austausch unter den Projektpartner:innen in den drei Ländern, beispielsweise an regelmässigen Face-to-Face-Treffen. Die gemeinsame Erarbeitung der Publikation «From Transition to Transformation» bildete einen Höhepunkt dieses grenzüberschreitenden Austauschs zum Abschluss der Projektphase, die 2021 zu Ende gegangen ist. Die Publikation gründet auf den Erfahrungen und dem Wissen der konfliktbetroffenen Frauen, die zwischen 2018 und 2021 an FrauenFriedensTischen in den drei Ländern teilgenommen haben, und sammelt die Erkenntnisse der Partner:innen.
Beziehungen stärken und Strukturen transformieren
In der Programmphase zwischen 2021-2024 setzten wir gemeinsam mit unseren Partnerinnen in den drei Ländern friedensfördernde gesellschaftliche und strukturelle Veränderungen in Gang. In sicheren Räumen – unseren FrauenFriedensTischen – konnten von Konflikt betroffene Frauen und LGBTIQ+-Personen auf verschiedene Weisen ihre Handlungsmöglichkeiten stärken. Gemeinsam erweiterten sie ihr Wissen über die Bestimmungen der Friedensabkommen, formulierten ihre Forderungen und entwickelten Strategien. Die individuelle und kollektive Heilung ihrer durch den Konflikt verursachten Traumata war ein wichtiger Bestandteil dieser Prozesse. Darauf aufbauend bildeten sie feministische Netzwerke, auch über ethnische oder soziale Gräben hinweg, und vertraten ihre Forderungen und Erwartungen wirkungsvoll gegenüber Politiker:innen.
Diese gemeinsame Arbeit wirkte sich nicht nur positiv auf die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften aus, sondern auch auf soziale Normen, wie beispielsweise die gesellschaftlichen Erwartungen über die Rolle von Frauen, die vielerorts Rückschritte machen. Dank der Zusammenarbeit an den FrauenFriedensTischen wurden 5'400 Teilnehmer:innen – aus ländlichen und städtischen Gebieten, Überlebende von Gewalt, Ex-Kämpfer:innen sowie Frauen und LGBTIQ+ Personen verschiedener Religionen und Gemeinschaften – zu Multiplikator:innen und Treiber:innen von gesellschaftlicher Veränderung.
Sie schufen ein breiteres Bewusstsein für die Erfahrungen von Frauen und LGBTIQ+ Personen in bewaffneten Konflikten und für die Verantwortlichkeit für vergangenes Unrecht. Beispielweise legten Frauen in Nepal Regierungsvertreter:innen ein Memorandum vor, in dem sie fordern, dass die Regierung den Prozess der Übergangsjustiz endlich umsetzt. In den Philippinen setzten sich Frauen erfolgreich für die Aufnahme geschlechtsspezifischer Bestimmungen in die regionale Gesetzgebung ein, wie etwa in das Bangsamoro Wahlgesetz. In Kolumbien legten Frauen vor der Wahrheitskommission Zeugnis über ihre Erfahrungen im bewaffneten Konflikt ab, ihre eigenen Konflikterlebnisse wurden so Teil der kolumbianischen Geschichte.
Im Laufe der grenzüberschreitenden Programmarbeit stellten wir fest, dass
der Zugang zu Personen in politischen Machtpositionen Verantwortlichkeit schafft und die Anerkennung der vielfältigen Erfahrungen von Frauen fördert.
das Erzählen traumatischer Erfahrungen psychosoziale Unterstützung erfordert, damit die Überlebenden keine Retraumatisierung erleben.
es kontinuierliche Lobby- und Netzwerkarbeit braucht, um immer wieder auf die vielfältigen Erfahrungen von Konfliktbetroffenen aufmerksam zu machen und eine Wiederholung solcher Ereignisse und Gräueltaten zu verhindern.
die Aufarbeitung vergangener Konflikte zur Prävention künftiger gewaltsamer Konflikte beiträgt.
Indem wir das gemeinsam Gelernte auf kreative Weise festhalten und weitergeben, wollen wir eine nachhaltigere Wirkung unseres Engagements erzielen. Die folgende Illustration veranschaulicht den Prozess des Wandels, welchen wir zwischen 2021-2024 erzielen konnten.
Wie Frauen Friedensprozesse beeinflussen
Eine graphische Darstellung der verschiedenen Stadien von Friedensprozessen und wie Frauen Einfluss nehmen, um Friedensprozesse anzutreiben und Rückschritte zu verhindern.