Übergangsphase für nachhaltigen Frieden nutzen: Philippinen

Mehr als 50 Jahre dauerte der bewaffnete Konflikt zwischen der philippinischen Regierung und der Moro Islamic Liberation Front um die Selbstbestimmung der muslimisch geprägten Region Mindanao. Frauen waren bereits im Friedensprozess treibende Kräfte. Seit dem Friedensabkommen von 2014 befindet sich die Autonome Region Bangsamoro im muslimischen Mindanao im Aufbau. Es ist ein Schlüsselmoment für Frauen, ihre Forderungen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft in den neuen politischen und gesellschaftlichen Strukturen zu verankern.

Hintergrund

Mit dem Friedensabkommen zwischen der philippinischen Regierung und der Moro Islamic Liberation Front endete 2014 der mehr als 50 Jahre andauernde bewaffnete Kampf um Selbstbestimmung in der muslimisch geprägten Region Mindanao. Er war einer der ältesten bewaffneten Unabhängigkeitskämpfe der Welt und forderte mehr als 100’000 Menschenleben. Ein Auslöser des Konflikts war die Massenmigration christlicher Siedler:innen in die angestammten Gebiete der muslimischen und nicht-muslimischen Indigenen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Das Konfliktszenario in Mindanao ist jedoch multikausal und mehrdimensional. Nebst dem bewaffneten Kampf um Selbstbestimmung gibt es in Mindanao weitere Formen gewaltsamer Konflikte: der Kampf der Kommunist:innen gegen die philippinische Regierung, Fehden zwischen Familien und Clans («rido»), der Kampf indigener Gemeinschaften um die Rechte an angestammtem Land sowie ideologisch motivierte Bandenkriminalität. Unsere Programmarbeit fokussiert auf den bewaffneten Konflikt im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung im muslimischen Mindanao.

Die Friedensverhandlungen dazu dauerten 17 Jahre. FriedensFrau Miriam Coronel-Ferrer war Chefunterhändlerin und die weltweit erste Frau, die ein endgültiges Friedensabkommen mitunterzeichnete. Es dauerte weitere fünf Jahre bis zur Verabschiedung eines Gesetzes zur Gründung der Autonomen Region Bangsamoro im muslimischen Mindanao im Jahr 2019. Die Übergangsregierung steht seitdem vor der Herausforderung, gleichzeitig die politische und fiskalische Autonomie der Region und die Stärkung friedlicher Gemeinschaften nach dem langen Konflikt zu verwirklichen.

Beteiligung von Frauen am Friedensprozess

Dank des Drucks von Friedensaktivist:innen und einer Regierung, die die Beteilung von Frauen an Friedensverhandlungen unterstützte , nahmen nebst FriedensFrau Miriam Coronel-Ferrer zwei weitere Frauen an den formellen Verhandlungen teil. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass Frauen – auch solche unter 30 Jahren – im Verhandlungsgremium der Regierung und im Verhandlungsgremium der Moro Islamic Liberation Front vertreten waren. Frauenorganisationen und -netzwerke unterstützten aktiv die Verhandlungen und machten nach dem Abschluss des Abkommens in beiden Kammern des Kongresses Lobbyarbeit für eine Gesetzgebung, die am konsequentesten die Bestimmungen des Friedensabkommens umsetzt.

Die Friedensverhandlerinnen setzten sich für das Recht der Frauen auf eine bedeutende politische Beteiligung in der Übergangsregierung der Autonomen Region Bangsamoro im muslimischen Mindanao ein. Dank des Einsatzes von Aktivistinnen verfügte die Regierung, dass jedes Amt 5% seines Budgets zur Förderung von Frauen einsetzen muss. Ausserdem wurde 2020 die Bangsamoro Women’s Commission gegründet, die für Massnahmen zur Geschlechtergleichstellung zuständig ist.

Unser Programm

Die seit 2014 andauernde Phase des Aufbaus der Autonomen Region Bangsamoro im muslimischen Mindanao ist ein entscheidender Moment für muslimische, indigene und christliche Frauen, ihre Forderungen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft einzubringen und in den neuen Regierungsstrukturen zu verankern.

Unsere Programmpartnerin Gaston Z. Ortigas Peace Institute (GZOPI), mit der wir seit 2003 und dem Start der Initiative «1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005» zusammenarbeiten, begann 2015 mit lokalen FrauenFriedensTischen in Mindanao. An den FrauenFriedensTischen nahmen auch Parlamentarier:innen und Fachpersonen im Bereich Übergangsjustiz (auf Englisch «transitional justice») teil –  vor allem aber Frauen aus der konfliktbetroffenen Region.

An den oft mehrtägigen Treffen nahmen vom Konflikt betroffene Frauen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen für Frieden, Menschenrechte und Entwicklung teil. Die Teilnehmerinnen setzten sich gemeinsam mit der während des Konflikts erlebten Gewalt auseinander, erfuhren an Workshops wie sie die im Friedensabkommen festgelegten Mechanismen der Übergangsjustiz zur Konflikttransformation nutzen können, und erarbeiteten Advocacy-Strategien. Dazu wurden auch Schlüsselpersonen aus der Regierung und Verwaltung sowie den Medien eingeladen, damit die Anliegen der Frauen Entscheidungsträger:innen erreichen. Einige der Treffen umfassten auch öffentliche Foren und Sensibilisierungsveranstaltungen.

Führungsrolle von Frauen stärken

Mit lokalen und nationalen Treffen, Kongressen und Advocacy-Aktivitäten arbeiten wir mit GZOPI weiter daran, dass Frauen eine aktive Rolle in der Konflikttransformation und in der Friedensförderung spielen und so einen geschlechtergerechten und nachhaltigen Frieden mitgestalten.

Ab 2025 konzentriert sich das Programm mit GZOPI auf die Stärkung der Führungsrolle und der Stimmen von Frauen als Mitgestalterinnen eines nachhaltigen Friedens, ihre massgebliche Beteiligung an der Umsetzung des Bangsamoro-Friedensabkommens und eine wirksame Kommunikation für den Frieden für eine breitere Öffentlichkeit.

Ein wichtiger Bestandteil des Programms ist der Wissensaustausch zwischen den Partner:innen in Kolumbien, Nepal und den Philippinnen. Dieser begann 2019 mit einem ersten Face-to-Face-Treffen und kulminierte 2021 mit der gemeinsamen Erarbeitung der Publikation «From transition to transformation: strengthening women’s effective participation in peacebuilding and transitional justice processes». Der Wissensaustausch wird in unserer Programmarbeit durch unsere Partnerschaft mit GZOPI wie auch im Netzwerk Feminists Connecting for Peace weitergeführt.

In den Philippinen stärkt unser Programm die Partizipation von Frauen in der Übergangsjustiz in der autonomen Region Bangsamoro im muslimischen Mindanao.  Karen Tañada, Direktorin unserer Partnerorganisation GZO Peace Institute in den Philippinen, erklärt wie.