Vor 15 Jahren nominierte Ruth-Gaby Vermot-Mangold – gemeinsam mit einem internationalen Team – 1000 Frauen für den Friedensnobelpreis. In einer beispiellosen Initiative suchten sie weltweit nach Frauen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. Zum Jubiläum interviewen wir Ruth-Gaby Vermot-Mangold, Initiatorin und CoPräsidentin von FriedensFrauen Weltweit, zu den entscheidenden Momenten des Projektes.
Wie ist die Idee zur Initiative «1000 Frauen für den Friedensnobelpreis» entstanden?
Bei meiner Arbeit bin ich immer wieder Frauen begegnet, die sich gegen Ungerechtigkeiten auflehnten und für ihre Rechte kämpften. Ihre Proteste blieben jedoch weitgehend unbeachtet. Als Nationalrätin und Mitglied des Europarats war ich Sprecherin für die Flüchtlingssituation im Südkaukasus. In den Flüchtlingslagern traf ich viele Frauen, die mit wenig Geld und grossem persönlichem Aufwand die schwierigen alltäglichen Aufgaben bewältigten. Während einer Reise nach Tschetschenien lernte ich eine junge Frau kennen, Lara, die in einem zerbombten Keller Kinder unterrichtete. Sie wünschte sich «schöne» Bücher, um den Kindern eine friedliche Welt zu zeigen. Als ich ihr beim nächsten Besuch Bücher mitbringen wollte, war Lara tot, von Heckenschützen erschossen. Dieses und andere schreckliche Erlebnisse bewegten mich. Und da entstand die Idee, 1000 Frauen für den Friedensnobelpreis zu nominieren.
Die Nominierung war ein riesiges Unterfangen. Wie habt ihr das geschafft?
Im winzigen Sekretariat arbeitete ein Team rund um die Uhr. Wir haben Koordinatorinnen in den verschiedenen Weltregionen gesucht, einen internationalen Verein gegründet und strenge Kriterien für die Auswahl der FriedensFrauen erarbeitet. Es war eine verrückte Zeit! Am Schluss mussten wir aus mehr als 2000 Frauen auswählen, um an den «1000 FriedensFrauen» festzuhalten.
Was war die Hauptbotschaft des Projektes?
Schaut hin und nehmt die unermüdliche und unspektakuläre Wiederaufbau-, Care- und Friedensarbeit der Frauen in Konflikt-, aber auch in sogenannten friedlichen Ländern, wahr. Lernt von diesen Frauen. Gebt ihnen und ihren Erfahrungen und Forderungen einen wichtigen Platz in den Friedensverhandlungen und Regierungen! Etwa so war uns zu Mute.
Was wolltet ihr konkret erreichen?
Wir wollten diese FriedensFrauen, diese engagierten Feministinnen, sichtbar machen. Mit dem Buch «1000 PeaceWomen Across the Globe», dem Film «1000 Frauen und ein Traum», und vielen Medienberichten verschafften wir ihnen mehr Sichtbarkeit. Unsere Ausstellung «1000 Friedensgesichter» wurde weltweit tausendfach gezeigt: in Schulen, Universitäten, Kirchen und Dörfern.
Die 1000 Frauen haben den Preis damals nicht gewonnen. Wie ging es danach weiter?
Wir waren enttäuscht und wollten aufgeben. Es kamen jedoch umgehend Proteste: Wir sollten weiterhin die Friedensarbeit von Frauen unterstützen, denn «Friede ohne Frauen» sei nicht zu haben. Frauen müssten zwingend und konkret an Friedensprozessen teilnehmen und ihren politischen Einfluss geltend machen. Das überzeugte uns. Es war kein leichter Schritt aus dieser wunderbar lebendigen, wilden Sisterhood eine neue Organisation zu schaffen und Projekte zu ermöglichen. Aber es ist uns gelungen.
Welche Relevanz hatte das Projekt für die feministische Friedensbewegung?
Die Idee war zündend – 1000 Frauen, die Mühen auf sich nehmen, um aus der zerstrittenen und verwundeten Welt einen Ort des Friedens zu machen und sich der traumatisierten Opfer von Kriegen annehmen! Aber eine gute Idee reicht nicht, um die Welt nachhaltig zu verändern. Es braucht die gebündelte friedenspolitische Arbeit feministischer Frauenorganisationen. Es braucht die unermüdliche und kraftvolle Arbeit von Frauen.
Wie hat sich die Situation von Friedensaktivistinnen in den letzten 15 Jahren verändert?
Der Druck von Frauen-Friedensorganisationen hat die internationalen Organisationen überzeugt, dass ohne Frauen ein dauerhafter Frieden unmöglich ist. Resolutionen wie die UNO-Resolution 1325 zu «Frauen, Frieden und Sicherheit» fordern die Beteiligung von Frauen ein. Allerdings ist der Fortschritt schleppend. Zwischen 1992 bis 2018 waren z.B. nur 3% der Mediatorinnen in Friedensprozessen Frauen. Organisationen wie unsere müssen Druck machen und mit guten Projekten und in internationaler Zusammenarbeit das Thema «Frauen und Frieden» stetig zur Sprache bringen.
Bern, Mai 2020