Podcast mit Ruth-Gaby Vermot-Mangold
Podcast mit Ruth-Gaby Vermot-Mangold, Schweiz
Frauen sind sowohl der Auslöser als auch die treibende Kraft der Protestwelle im Iran, die seit dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini in einem Umerziehungszentrum wegen «unangemessener Kleidung» das Land überrollen und zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Kräfte geführt hat. Wir solidarisieren uns mit Frauen- und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für das Recht auf Selbstbestimmung einsetzen – so auch im Iran. Nebst Solidarität brauchen die Frauen im Iran jedoch vor allem auch konkrete Unterstützung. Wir rufen deshalb zivilgesellschaftliche Organisationen, Regierungen und die internationale Gemeinschaft auf, ihre Solidaritätsbekundungen mit den Frauen im Iran durch konkrete Massnahmen zu untermauern.
Seit dem 19. September 2022 erlebt der Iran eine Welle von Protesten gegen ein repressives Regime, die manche als die erste von Frauen angeführte Konterrevolution im Iran und möglicherweise in der Welt bezeichnen. Nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini, einer 22-jährigen Frau kurdischer Abstammung, die in einem Umerziehungszentrum wegen «unangemessener Kleidung» getötet wurde, waren Frauen sowohl der Auslöser als auch die treibende Kraft des derzeitigen Aufruhrs.
Der Ruf "zan, zendegi, azadi" – "Frau, Leben, Freiheit" – hallt im ganzen Land wider. Er ist von dem kurdischen feministischen Slogan «jin, jîyan, azadî» abgeleitet, der Teil der kurdischen feministischen Bewegung im Iran und in anderen kurdischen Gebieten war. Noch nie zuvor hat er eine so breite Unterstützung über alle Geschlechter, Altersgruppen, Ethnien und Klassen hinweg erhalten. Doch Demonstrant:innen und Aktivist:innen, die im Iran auf die Strasse gehen oder ihre Stimme auf Online-Plattformen erheben, sind der Gefahr von Verhaftung, Gewalt und Tod durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt. Schwere Menschenrechtsverletzungen sind seit Beginn der Proteste weit verbreitet.
Als feministische Friedensorganisation setzt sich FriedensFrauen Weltweit für eine nachhaltige und sichtbare Friedensarbeit von Frauen und für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Wir setzen uns für einen inklusiven und positiven Frieden ein, der auf Inklusion auf allen Ebenen der politischen Partizipation und Entscheidungsfindung, dem Recht auf Selbstbestimmung und dem gleichberechtigten Zugang zu Rechten und Ressourcen basiert. Einen inklusiven und gerechten Frieden kann es nur geben, wenn die Menschenrechte für alle gelten und wenn Frauen ihre Rechte ohne Angst vor Repressionen wahrnehmen können.
Wir solidarisieren uns mit Frauen und Mädchen, Friedens- und Menschenrechtsaktivist:innen, Verbündeten und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich weltweit für das Recht auf Selbstbestimmung und Integration einsetzen – in Ländern von Afghanistan bis Kolumbien, von Nepal bis zur Ukraine. Wir rufen deshalb zivilgesellschaftliche Organisationen, Regierungen und die internationale Gemeinschaft auf, ihre Solidaritätsbekundungen mit den Frauen im Iran durch konkrete Massnahmen zu untermauern.
Wir unterstützen die Initiative der kanadischen Aussenministerin Melanie Joly, die andere Aussenministerinnen aus der ganzen Welt zu einem virtuellen Treffen am 20. Oktober 2022 eingeladen hat, um die Lage der Frauen- und Menschenrechte im Iran zu erörtern, ihre Bemühungen zu koordinieren, um ihre kollektive Unterstützung für das iranische Volk zu verstärken und «globale Solidarität für die iranischen Frauen zu zeigen und dem iranischen Regime zu sagen, dass die Welt zuschaut». Wir rufen ihre männlichen Kollegen auf, sich den Aussenministerinnen anzuschließen, um ihre Bemühungen zu unterstützen und ihre Botschaft zu verbreiten: «Das iranische Regime muss alle Formen von Gewalt und Verfolgung gegen das iranische Volk beenden, einschliesslich seiner brutalen Aggressionen gegen Frauen im Besonderen.»
Der Aufruf zur Solidarität erhält noch mehr Dringlichkeit im Zusammenhang mit der 83. Tagung des CEDAW-Ausschusses, die bis zum 28. Oktober 2022 in Genf stattfindet. Die UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW bildet die Grundlage für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Die 189 Staaten, die das Übereinkommen bisher ratifiziert haben, haben sich verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, um die Diskriminierung von Frauen in all ihren Formen zu beseitigen. Alle Unterzeichner müssen sich an die Bestimmungen von CEDAW halten und in ihren Ländern wirksame Massnahmen zum Schutz der Frauen ergreifen sowie diplomatische Anstrengungen unternehmen, um Druck auf Länder auszuüben, die CEDAW nicht ratifiziert haben. Dazu gehören die USA, der Sudan und der Iran.
Die internationale Gemeinschaft – einschliesslich internationaler zivilgesellschaftlicher Organisationen, der Vereinten Nationen und der EU-Mitgliedstaaten – muss die Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Iran und gegen die Männer und Jungen, die sich ihrem Protest angeschlossen haben, offen und deutlich verurteilen. Sie müssen ihrer Verurteilung konkrete Aktionen zur Unterstützung und zum Schutz vor Gewalt folgen lassen.
Wir haben das schon in anderen Zusammenhängen gesehen: Sobald sich der Fokus der Medien verlagert und die politische und öffentliche Aufmerksamkeit nachlässt, geraten die Rufe der Protestierenden in Vergessenheit, und die weltweite Unterstützung lässt nach. Doch die Protestbewegung im Iran braucht weiterhin unsere Unterstützung, um ihre legitimen Forderungen nach einem dauerhaften gesellschaftlichen Wandel in die Tat umzusetzen.
FriedensFrauen Weltweit
Bern, Schweiz
27. Oktober 2022