Mehr als 2.700 Milliarden US-Dollar. Das sind die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2024. Es ist der stärkste Anstieg dieser Ausgaben seit 1988. Diese erschreckende Zahl zeigt deutlich, dass die Welt in ihrem Streben nach Sicherheit zunehmend auf militärische Lösungen setzt. Im klaren Gegensatz dazu steht PeaceWomen Across the Globe entschieden für gewaltfreie Konflikttransformation. Wir sind überzeugt, dass dauerhafte Sicherheit nur durch inklusive Dialoge erreicht werden kann und nicht durch Waffen oder militärische Abschreckung.
Friedensorganisationen wie die unsere werden angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen oft als naiv kritisiert. Unsere Haltung zur Militarisierung ist jedoch weder realitätsfern noch naiv. Im Gegenteil, sie basiert auf jahrzehntelanger Erfahrung und dem Wissen von Frauen, die unter schwierigsten Bedingungen Frieden schaffen.
Seit zwei Jahrzehnten begleiten wir unsere Partner:innen, die sich in von bewaffneten Konflikten betroffenen Ländern und Regionen mit komplexen Realitäten auseinandersetzen müssen. Dort ist die Entscheidung zwischen Waffen oder Dialog nicht eindeutig: Es bleibt eine unmögliche Wahl.
Dieses Papier ist ein transparenter Versuch,
erstens, die Spannungen zwischen Sicherheit durch Waffen (Militarisierung) und Sicherheit durch Dialog (Friedensförderung) zu beleuchten und dabei die Polarität anzuerkennen, in der wir agieren und
zweitens, anhand konkreter Beispiele zu zeigen, wie PeaceWomen Across the Globe mit diesem Dilemma umgeht und dabei unseren Werten und Zielen als feministische Friedensorganisation treu bleibt.
Über militarisierte Sicherheit hinaus: Nachhaltigen Frieden schaffen
Mehr Rüstungsausgaben machen die Welt nicht sicherer – mehr Waffen führen zu mehr Konflikten. Militarisierung schürt Gewaltzyklen und verhärtet politische Positionen. Ausserdem bedeuten höhere Militärausgaben in der Regel weniger Geld für Konfliktprävention und wichtige Investitionen in Gesundheitsversorgung, Bildung und internationale Zusammenarbeit.[1] Auch wenn militärische Abschreckung den Anschein erweckt, für ein Gleichgewicht der Kräfte zu sorgen, führen mehr Waffen unweigerlich zur Militarisierung von Gesellschaften. Das führt zu mehr Gewalt, mehr Leid und mehr Unsicherheit.
Die Geschichte hat wiederholt gezeigt: Manchmal können Waffen zwar kurzfristig Kriege beenden, sie sind aber nicht in der Lage, einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen. Expert:innen halten fest: «Eine kurzfristige Beendigung der Gefechte ist nicht unbedingt förderlich, um sie langfristig zu beenden.»[2]
In unserer täglichen Arbeit mit Friedensaktivist:innen, die unmittelbar von Konflikten betroffen sind, sehen und erkennen wir die komplexen Spannungen zwischen Sicherheit durch Waffen und Sicherheit durch Dialog. Es handelt sich um zwei Pole desselben Dilemmas. Es geht nicht um die Wahl zwischen Waffen oder Dialog, denn beide existieren nebeneinander.
Wir Menschen sind ständig hin- und hergerissen zwischen unseren Werten, den komplexen Realitäten, in denen wir leben, zahlreichen Optionen und unseren persönlichen Umständen. Feministische Friedensaktivist:innen müssen angesichts dieser Dilemmata mit vielfältigen Spannungen umgehen.
Sie haben den Wunsch, sich weiterhin für den Dialog als bevorzugtes Mittel zur Konfliktbewältigung einzusetzen. Einige sehen sich jedoch aufgrund der Umstände gezwungen, bewaffnete Gewalt anzuwenden, um ihre Familien und Gemeinschaften vor Angriffen zu schützen.
Ein Beispiel: Ukraine.[3] Manche westliche Feminist:innen kritisieren die NATO und befürworten einen Pazifismus, den andere als «abstrakt» betrachten: Ukrainische Feminist:innen sehen in dieser Haltung eine Nichtanerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung (manchmal auch als «Westsplaining» bezeichnet).
Frauen betrachten den Griff zu den Waffen möglicherweise auch als Teil eines umfassenderen Kampfes für Frauenrechte. Ein Beispiel: Kurdistan. Die Entscheidung der kurdischen Kämpfer:innen, die Waffen zu ergreifen, war nicht nur Teil ihres Kampfes für die kurdische Autonomie. Sie war auch Teil ihres Kampfes für die Rechte der Frauen und ein Versuch, patriarchalische Traditionen zu durchbrechen, indem sie Rollen im Kampf und in der Führung übernahmen.
Das Leben in einem bewaffneten Konflikt erfordert von feministischen Friedensaktivist:innen, sich in einem Umfeld zurechtzufinden, das per Definition stark militarisiert ist. Verhandlungen mit Kombattant:innen oder die Einforderung ihrer Unterstützung sind Teil dieser Realität.
Beispiele: In Kolumbien, Myanmar und Sudan haben unsere Partner:innen Zugang zu besetzten Gebieten erhalten, dafür gesorgt, dass Zivilist:innen Felder und Märkte erreichen können, Waffenstillstände ausgehandelt – und sogar Friedensabkommen ausgearbeitet –, indem sie mit den Konfliktparteien verhandelt und interagiert haben.
In ihrem Streben nach dauerhaftem Frieden haben feministische Friedensbewegungen kaum eine andere Wahl, als sich im Spannungsfeld dieser komplexen Realitäten zu bewegen. Ihre Arbeit zeigt, wie Frauen mit den anhaltenden Spannungen zwischen Militarisierung und Dialog umgehen und dabei gleichzeitig in ihren Gemeinschaften und Werten verwurzelt bleiben.
Feministische Friedensförderung: ein realistischer Weg zu dauerhafter Sicherheit
Frieden ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Er gedeiht dort, wo soziale Gerechtigkeit, politische Teilhabe und wirtschaftliche Sicherheit neben physischer und psychischer Sicherheit gewährleistet sind. Die feministische Friedensbewegung bietet eine Vision, die Aufrüstung und militarisierte Abschreckungsstrategien in Frage stellt. Sie setzt sich für die Einbeziehung vielfältiger Perspektiven in Entscheidungsprozesse ein – insbesondere derjenigen von Frauen – und für gewaltfreie Ansätze, die die Ursachen von Konflikten angehen und nicht nur deren Symptome.
Angesichts der Veränderungen in der weltweiten Sicherheit und der steigenden Militarisierung ist es entscheidend, sich gemeinsam für eine friedliche Lösung von Konflikten einzusetzen. PeaceWomen Across the Globe leistet durch die Unterstützung feministischer Friedensaktivist:innen und ihrer Forderungen einen konkreten Beitrag an inklusive Friedensprozesse.
Privileg als Verantwortung: respektvolle Unterstützung
Diese Unterstützung verpflichtet uns, unsere privilegierte Stellung als Organisation mit Sitz in der Schweiz anzuerkennen – einem Land, das keiner unmittelbaren Bedrohung durch bewaffnete Konflikte ausgesetzt ist.
Wir sind fest davon überzeugt, dass Frieden dann erreicht wird, wenn ein inklusiver Dialog vor militarisierten Massnahmen den Vorrang hat. Aber: In unserem Engagement für eine respektvolle und unterstützende Zusammenarbeit orientieren wir uns an den Positionen unserer Partner:innen und respektieren diese.
Wir betrachten es als das Vorrecht jeder Gesellschaft und Gemeinschaft, Sicherheit gemeinsam und inklusiv aufzubauen, entsprechend ihren eigenen Bedürfnissen, Überzeugungen und Werten. Es ist nicht unsere Rolle, Positionen zu beurteilen oder in Frage zu stellen, die in gelebten Realitäten verankert sind, sondern Friedensaktivist:innen in ihren Bemühungen zu unterstützen, Gesellschaften zu verändern und dauerhaften Frieden zu sichern.
Unser Engagement: inklusiver Frieden, geteilte Sicherheit
Sicherheit ist untrennbar mit Frieden verbunden, und Frieden kann ohne inklusiven Dialog und gewaltfreie Konflikttransformation nicht gedeihen. Die Resolution 1325[4] des UN-Sicherheitsrats zu Frauen, Frieden und Sicherheit wurde im Jahr 2000 einstimmig von allen 15 Mitgliedern des Rates verabschiedet. Sie basiert auf dem Grundprinzip, dass die gleichberechtigte und uneingeschränkte Beteiligung von Frauen an der Friedensförderung, Konfliktprävention und Konfliktlösung für einen wirksamen und nachhaltigen Frieden unerlässlich ist.
Unsere Arbeit, auf der Grundlage der Resolution 1325 und basierend auf bestehenden Forschungsergebnissen, zeigt, dass Friedensprozesse langfristig nur dann nachhaltig sind, wenn sie auf Inklusion, Dialog, Gerechtigkeit und Vertrauen beruhen – und nicht auf militärischer Gewalt.
Obwohl die Resolution 1325 als bahnbrechende Errungenschaft der internationalen Gemeinschaft gefeiert wird, befinden sich die Resolution und die ihr zugrunde liegenden Prinzipien heute an einem kritischen Punkt, weil Regierungen ihre Militärausgaben auf Kosten von Investitionen in den Frieden erhöhen.
Eine ungebremste Aufrüstung, gepaart mit unkritischer Befürwortung, ist nicht nur wirkungslos, sondern verursacht auch dauerhaften Schaden – insbesondere, wenn sie nicht mit gleichwertigen oder höheren Investitionen in Konfliktprävention und Konflikttransformation einhergeht. Wir erleben bereits jetzt die schwerwiegenden Folgen der Aufrüstung: Sie untergräbt die Gleichstellung der Geschlechter[5], entzieht Mittel von wichtigen sozialen Investitionen und verursacht schwere Umweltschäden, was wiederum weitere Konflikte schürt.
Krieg und bewaffnete Konflikte sind nicht unvermeidbar. Frieden ist nicht statisch. Beides wird durch menschliches Handeln aktiv geschaffen und aufrechterhalten. Entscheidungsträger:innen haben die Wahl: Sie können ihrer Verantwortung nachkommen, sicherere Gemeinschaften und eine friedliche Welt zu schaffen – oder sie können zu Zerstörung beitragen.
Während Regierungen darauf drängen, Waffen zu beschaffen, müssen Entscheidungsträger:innen einer einfachen Wahrheit ins Auge sehen: Mehr Waffen machen die Welt nicht sicherer. Sie müssen daran erinnert werden, dass Frieden zivilgesellschaftlichen Raum, politischen Willen und transformative Investitionen erfordert.
Quellen
[1] Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), “Unprecedented rise in global military expenditure as European and Middle East spending surges”, Yearbook 2025.
[2] Tetiana Kyselova and Dana M. Landau (eds), https://brill.com/view/journals/iner/30/1/iner.30.issue-1.xml?srsltid=AfmBOopcJT6W3xn2U9lqcD5IATsT2s3nGSX8O2gK0OQxgCSyELLkcVOq, International Negotiations 30(1), 2025.
[3] Philosophical Salon, “The Antinomies of the Russia-Ukraine War and its Challenges to Feminist Theory”, 2025, available at: https://thephilosophicalsalon.com/the-antinomies-of-the-russia-ukraine-war-and-its-challenges-to-feminist-theory/
[4] https://wps.unwomen.org/pdf/en/GlobalStudy_EN_Web.pdf
[5] UN Women. (2022). The Impact of Militarization on Gender Inequality. Available at: https://www.unwomen.org/sites/default/files/2022-08/Impact-of-militarization-on-gender-inequality-en.pdf