Inklusive Friedensverhandlungen in Nariño: Kolumbien

Wir sind seit 2016 mit unserem Programm Friedensförderung nach bewaffneten Konflikten in Kolumbien tätig. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP-Guerilla setzen wir uns für die Beteiligung von konfliktbetroffenen Frauen an dessen Umsetzung ein. In unserem 2025 lancierten Programm Friedensförderung während Friedensverhandlungen engagieren wir uns zudem für die Beteiligung von Frauen an laufenden, lokal verankerten Friedensverhandlungen. Frauen und Frauenorganisationen sollen gleichberechtigt an Verhandlungstischen mit lokalen bewaffneten Gruppen miteinbezogen werden.

Hintergrund

Das 2016 unterzeichnete Friedensabkommen zwischen den FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - Ejército del Pueblo) und der kolumbianischen Regierung sollte nach mehr als 50 Jahren einen der weltweit längsten bewaffneten Konflikte beenden. Der bewaffnete Konflikt mit den FARC-EP ist zwar formell zu Ende, die Gewalt geht jedoch weiter. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens sind verschiedene Regionen des Landes in neuen Spiralen der Gewalt und des bewaffneten Konflikts gefangen.

Der 2022 von Präsident Gustavo Petro lancierte Plan «Totaler Frieden» («Paz Total») hat eine Transformation der betroffenen Gebiete zum Ziel, die wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Probleme angeht. Im Rahmen ihrer Paz-Total-Politik setzt die Regierung ein neues Verhandlungsmodell («nuevo modelo de negociación») um. Dieses neue Modell sieht keine umfassenden Vereinbarungen, wie das mit den FARC-EP, vor. Es setzt vielmehr auf bilaterale «mesas» (Verhandlungstische), an denen die Regierung vor Ort mit lokalen bewaffneten Gruppen lokal verankerte Vereinbarungen trifft.

Potenzial für nachhaltigere Friedensverhandlungen

Aufgrund dieses «Modells der territorialen Tische» («modelo de mesas territoriales») finden in Kolumbien eine Vielzahl von Verhandlungen statt (im Januar 2025 waren es zehn). Diese «Territorialisierung des Friedens» bedeutet, dass sich die Regierung mit einer grösseren Komplexität der Friedensbemühungen befassen muss, erhöht aber auch das Potenzial für lokal legitimierte und somit nachhaltigere Friedensverhandlungen.

Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen

Das Friedensabkommen zwischen den FARC-EP und der kolumbianischen Regierung von 2016 gilt international als Musterbeispiel für die Beteiligung von Frauen und die Inklusion von marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Es ist weltweit das erste Friedensabkommen, das einen umfassenden und systematischen geschlechtsspezifischen Ansatz integrierte, und eines der fortschrittlichsten in Bezug auf die Rechte von Frauen und der LGBTIQ+-Community.

Doch die zunehmende Remilitarisierung und andauernde Gewalt haben negative Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung. Aktivistinnen und Frauen in Führungsrollen sind vermehrt Zielscheibe von politisch motivierten Morden, sexualisierter Gewalt und spüren den sozialen Druck, der sie in traditionelle Frauenrollen zurückzudrängen versucht.

Lokal verankertes Verhandlungsmodell

Das 2022 von der Regierung lancierte «Modell der territorialen Tische» («modelo de mesas territoriales») setzt auf Verhandlungen auf lokaler Ebene mit bewaffneten Gruppen. Dieses Modell bietet theoretisch eine grössere Möglichkeit, dass lokale Frauenorganisationen und Friedensaktivistinnen gleichberechtigt in die Verhandlungen miteinbezogen werden können. Mit unserem Programm möchten wir dazu beitragen, diese Chance nutzbar zu machen.

Die Regierung unterstützt die Partizipation von Frauen in Friedensverhandlungen und hat 2024 ihren ersten Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UNO-Sicherheitsratsresolution 1325 zu «Frauen, Frieden und Sicherheit» publizierte. Der Aktionsplan verspricht die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen «in all ihrer Diversität in den territorialen Kontexten» in Verhandlungen zu Frieden und Sicherheit. Das kommt einer Verpflichtung des Staates gleich, die Beteiligung von Frauen an den Verhandlungen im Rahmen der Paz-Total-Politik zu gewährleisten.

Unser Programm

Im Zentrum der Pilotphase steht die Bildung einer politischen Allianz von Frauen, die «Allianz zur Stärkung der Autonomie und Teilhabe von Frauen, die sich für den Frieden in Nariño» einsetzen. Die von uns initiierte politische Allianz vereint 20 verbündete Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, staatlichen Institutionen und internationalen Organisationen, die in diversen Rollen an den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Frente Comuneros del Sur, einer Splittergruppe der bewaffneten Gruppe Ejército Popular de Liberación ELN, und verhandlungsnahen Prozessen im Departement Nariño beteiligt sind.

Vielfältige Rollen in und um Friedensverhandlungen

Die Allianz trägt zu einer stärkeren Partizipation von Frauen in und um die Friedensverhandlungen bei, indem sie sichere Räume schafft, in denen sich die Akteur:innen austauschen, voneinander lernen können und gemeinsam ihre politische Handlungsfähigkeit verstärken. So vernetzen sich die Frauen, die auf unterschiedlichen Ebenen, in vielfältigen Rollen in und um die Friedensverhandlungen engagiert sind, um gemeinsam politischen Einfluss auszuüben und nachhaltige Beiträge zu einer inklusiven Friedensarbeit zu leisten.

Im Rahmen unserer Lokalisierungsstrategie eröffneten wir im Mai 2025 in Bogotá ein Büro unter der Koordination einer lokalen Geschäftsleiterin. Sie koordiniert das Pilotprogramm (Juni 2025 – Juli 2026) vor Ort und setzt es gemeinsam mit unserer Programmpartnerin Corporación Colectiva Cuarzo Rosa um.