08.03.2021, Internationaler Frauentag: Feministische Friedenspolitik

Am 8. März feiern Frauenorganisationen auf der ganzen Welt den Internationalen Frauentag und machen ihre Forderungen für mehr Frieden und Gleichberechtigung öffentlich. Aus diesem Anlass hat FriedensFrauen Weltweit – gemeinsam mit dem weltweiten Netzwerk von Friedensaktivistinnen – eine Workshopreihe zu feministischer Friedenspolitik, Abrüstung und Entmilitarisierung lanciert. Wir organisiert diese Workshop-Reihe mit der Unterstützung der Women's International League of Peace and Freedom (WILPF).

«Es gibt zwei zentrale Aufgaben: Abrüstung und die Sicherung eines möglichst nachhaltigen Friedens.» Mit diesen Worten eröffnete unsere Gründerin und Co-Präsidentin Ruth-Gaby Vermot-Mangold den ersten Online-Workshop im Rahmen der Webinar-Reihe «Disarmament – Feminist Perspectives on Peace Policies and Security», der mit rund 50 Teilnehmerinnen aus der ganzen Welt am 7. März 2021 stattfand. Der Workshop konzentrierte sich auf die Verantwortung der europäischen Staaten. Expertinnen aus Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft diskutierten die Hintergründe, die Logik und die Folgen einer militarisierten Sicherheitspolitik ausgewählter europäischer Staaten mit einer intergenerationellen postkolonialen Perspektive. 

Verständnis für Geschlechteraspekte

Für eine geschlechtergerechte Friedenspolitik braucht es gute Bedingungen für Care-Arbeit und Investitionen in soziale und nachhaltige Sicherheit. «Das Geld fliesst jedoch woanders hin: in die Produktion von und den Handel mit Kriegsmaterial,» leitete PWAG-Netzwerkkoordinatorin und Co-Moderatorin Annemarie Sancar den Workshop ein. COVID-19 hat wie nie zuvor vor Augen geführt, welche Aktivitäten lebensnotwendig sind und dass es vor allem Frauen sind, die diese leisten. Katrin Geyer vom WILPF-Abrüstungsprogramm Reaching Critical Will ging auf die multilateralen Abrüstungsprozesse ein. Das Verständnis für Geschlechteraspekte ist zwar in Abrüstungsforen gestiegen, der Widerstand gegen strukturelle Analysen aus einer feministischen Perspektive bleibt jedoch stark – und genau dies wäre für den Frieden unverzichtbar.

«Wessen Stimmen bleiben ungehört? Wer wird aus dem Diskurs ausgeschlossen?» fragte Marieke Fröhlich, Doktorandin an der Universität Rhein-Waal. Internationale Sicherheitspolitik sowie der Waffenhandel und die Bemühungen, diesen zu kontrollieren, sind untrennbar mit asymmetrischen Machtverhältnissen zwischen dem ‘globalen Norden’ und dem ‘globalen Süden’ verbunden. Intersektionalität muss ernst genommen und die Stimmen der am meisten marginalisierten Gruppen integriert werden. Zusammen mit einer wirklichen feministischen Analyse ist eine Analyse aus einer postkolonialen Perspektive notwendig.

Europas Verantwortung

Drei Referentinnen aus drei ausgewählten europäischen Ländern betrachteten die Rolle und Verantwortung ihrer Länder. Alle Länder investieren in die Friedensförderung, exportieren aber gleichzeitig Waffen in kriegführende Länder. Auch Schweden mit seiner feministischen Aussenpolitik gehört zu den grössten Waffenproduzenten und -händlern der Welt, hielt Gabriella Irsten von WILPF Schweden fest. Patrizia Sterpetti von WILPF Italien stellte eine feministische Kampagne vor, zur Umwandlung einer grossen Waffenfabrik in Italien, deren Waffen in Jemen eingesetzt wurden, in ein regionales Milchverarbeitungszentrum.

Auch Spanien, das seit mehr als einem Jahrzehnt den Prozess der Versicherheitlichung vorantreibt und den Terrorismusbegriff gefährlich ausgeweitet hat, hat seine Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben erhöht. COVID-19 hat den militaristischen Sicherheits-Ansatz sogar noch verstärkt, so Nora Mirailles vom Centre Delàs d'Estudis per la Pau in Barcelona. Migrantinnen gehören zu denjenigen, die der Versicherheitlichung am meisten ausgesetzt sind.

Braucht die Schweizer Armee mehr Frauen?

Und wie sieht es mit der Verantwortung der Schweiz aus? Marionna Schlatter und Priska Seiler Graf, beide Mitglieder des Schweizer Parlaments und dessen Sicherheitspolitischen Kommission, fragen, ob es eine Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen braucht. Brauchen wir mehr Frauen in der Schweizer Armee für einen Kulturwandel von innen heraus oder müssen wir mehr Frauen gegen die starke Waffenlobby mobilisieren, damit sie bei Abstimmungen gegen militaristische Themen einen Unterschied machen?

Viele weitere Fragen, die zur Diskussion stehen! Nach der Analyse und dem Austausch der Ergebnisse dieses ersten Workshops werden im zweiten, der für Juni 2021 geplant ist, Frauen ausserhalb Europas über die täglichen Auswirkungen militärischer Interventionen auf ihr Leben sprechen. Ein dritter – hoffentlich physischer – Workshop wird später im Jahr 2021 folgen.

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