Die Antwort auf diese Frage fällt je nach Land unterschiedlich aus. In Nepal, wo der 10-jährige bewaffnete Konflikt zwischen der Regierung und der maoistischen Rebellengruppe 2006 zu Ende ging, betrug der Anteil Frauen in der Verfassungsgebenden Versammlung 5%. Nepalesische Frauen, mobilisiert durch Organisationen wie Nagarik Aawaz, hätten 45 Tage lang protestiert, sagt Susan. Der Druck der Proteste führte zur Verankerung von Frauenanteilen in der Regierung: 33% auf nationaler und 40% auf lokaler Ebene. Das sei ein Fortschritt, sagt Susan, doch die meisten Frauen wurden lokal als Vize-Bürgermeisterinnen gewählt und gelten als «chupa», still und ohne Macht. Die politische Partizipation von Frauen hätte sich in Nepal zwar verändert, aber in den Lokalregierungen sei es keine Priorität «in Frauen zu investieren».
Das Gesetz von 2014 zur Schaffung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission sowie einer Kommission zur Untersuchung von Verschleppungen («enforced disappearance») wurde international und von der nepalesischen Zivilgesellschaft wegen mehrerer Mängel scharf kritisiert. Alle Mitglieder der Wahrheitskommission und der Kommission, die Menschenrechtsverletzungen aufarbeiten soll, werden von der Regierung ernannt. Der politische Wille, die Vergangenheit gründlich aufzuarbeiten, fehle genauso wie der Wille, Frauen an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen, sagt Susan.
In Kolumbien sind Frauen in der nationalen Wahrheitskommission vertreten: Das Vorstandsmitglied von FriedensFrauen Weltweit, die Feministin und Professorin Alejandra Miller Restrepo, ist eine von fünf Frauen in der z.Zt. 10-köpfigen Kommission. Kolumbianerinnen haben hart für ihre Teilhabe gekämpft. Nach 50 Jahren bewaffnetem Konflikt schloss die Regierung mit der Rebellengruppe FARC im November 2016 ein Friedensabkommen ab. Aber an den ersten Gesprächen, die vor der Unterzeichnung in Kuba stattfanden, nahmen nur Männer teil.
«Frauen hatten keine Stimme,» sagt Carolina von Comunitar, die das nationale Friedensnetzwerk Ruta Pacifica de las Mujeres in der Region Cauca koordiniert. Die feministische und pazifistische Bewegung mobilisierte zusammen mit anderen Organisationen Frauen und machte auf die Regierung Druck. «Die Frauenbewegung hat darauf bestanden, dass Frauen an den Friedensverhandlungen teilhaben. Sie müssen am Tisch sitzen.»
Sie hatten Erfolg: Frauen sind nicht nur in der Wahrheitskommission sondern auch in drei weiteren Kommission gleichwertig vertreten. Die Gender Arbeitsgruppe, die Salomé leitet, ist damit beauftragt, sicherzustellen, dass Frauen in allen Aspekten der Arbeit der Wahrheitskommission miteingeschlossen sind. «Frauen sind nicht nur Opfer des Konflikts, sondern auch aktiv am Wiederaufbau des Landes beteiligt,» sagt Salomé.
Auch in den Philippinen machten die Frauen mobil, damit der Frieden nach 50 Jahren Krieg zwischen der Regierung und der MILF, zustande gekommen ist – und hält. Der Konflikt im muslimisch-geprägten Mindanao war einer der ältesten bewaffneten Unabhängigkeitskämpfe der Welt. Ein Hauptgrund für den Konflikt war die Massenmigration christlicher Siedler in die angestammten Territorien der muslimischen und nicht-muslimischen Indigenen.
Frauen seien in allen Aspekten des Friedensprozesses vertreten gewesen und hätten auf allen Ebenen Druck gemacht, erinnert sich Yasmin, deren Familie direkt vom Konflikt betroffen war. «Als der Prozess im Jahr 2000 ins Stocken geriet, waren es die Frauen, die sich für einen Waffenstillstand einsetzten.»
FriedensFrau Miriam Coronel Ferrer war Chefunterhändlerin und die weltweit erste Frau, die ein grösseres Friedensabkommen mitunterzeichnete. Es war auch sie, die die Männer am Tisch überzeugte, zwei weitere Frauen an den Verhandlungen zu akzeptieren, darunter auch Yasmin. «Frauen haben erkannt, dass sie am politischen Entscheidungsprozess beteiligt sein müssen. Sie wollten keine symbolische Teilnahme. Sie wollten den Frieden mitgestalten,» sagt Yasmin.
Anfang 2019 stimmte die Mehrheit der Bevölkerung in fünf Provinzen für die Annahme der neugeschaffenen «Autonomen Region Bangsamoro in muslimisch Mindanao». Die interimistische Regierung hat Dank dem Engagement von Aktivistinnen verfügt, dass jedes Amt 5% seines Budgets zur Förderung von Frauen einsetzen muss. Es habe etwas Überzeugungskraft gebraucht, sagt Yasmin, aber die MILF habe erkannt, dass Frauen an der Gestaltung des Friedens und dem Aufbau der neuen Regierung teilhaben müssen.