10.09.2025, Vergangenheitsarbeit in Nepal: «Es ist wichtig für uns, das Leiden unserer Mütter zu verstehen»

Wie erleben Menschen verschiedener Generationen in Nepal die Folgen des zehnjährigen bewaffneten Konflikts, der 2006 mit einem Friedensabkommen endete? In zwei Videos tauschen sich junge Erwachsene der zweiten Generation und Frauen der direkt vom Konflikt betroffenen ersten Generation an intergenerationellen Treffen aus. Die meisten von ihnen haben Angehörige verloren. Sie sprechen über ihr Leiden und Rachegefühle und beginnen so einen Heilungsprozess, der sie schliesslich darin stärkt, gemeinsam ihr Recht auf Anerkennung einzufordern.

Die Frauen der ersten Generation waren direkt vom bewaffneten Konflikt zwischen der nepalesischen Armee und der maoistischen Kommunistischen Partei betroffen. Die Armee oder die maoistischen Rebellen töteten ihre Ehemänner, oft auch weitere Familienmitglieder, liessen sie verschwinden, vergewaltigten die Frauen. Die Nachkommen dieser Frauen wissen oft wenig über den bewaffneten Konflikt – er wird im Schulunterricht nicht behandelt. Die zweite Generation nimmt jedoch die psychischen Folgen und das Leiden ihrer Mütter wahr, die die Last nicht mit ihren Kindern teilen möchten.

In der zweiten Generation entstehen Rachegefühle gegenüber jenen, die auf der Gegenseite gekämpft haben. An den Treffen begegnen sich vermeintliche Feinde, solche welche direkt oder indirekt Gewalt der Armee beziehungsweise der maoistischen Rebellen erlebt haben. Dank dieser Begegnungen an intergenerationellen Treffen können die Teilnehmer:innen ihr Misstrauen gegenüber den «anderen» begraben und gemeinsam den Heilungsprozess beginnen. Sie erkennen, dass sie nicht allein sind mit ihrem Schmerz und mit den Herausforderungen, darunter auch die gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der erlebten Gewalt.

Patriarchale Machtverhältnisse sichtbar machen

Junge Männer werden bewusst an die Treffen eingeladen. Nagarik Aawaz, unsere langjährige Partnerin in Nepal, verfolgt einen feministischen Ansatz, der die zugrunde liegenden patriarchalen Machtverhältnisse sichtbar macht. An den intergenerationellen Treffen legt sie den Fokus auf die Erfahrungen von Frauen, im Bewusstsein, dass eine dauerhafte Veränderung auch die Teilhabe von Männern erfordert. Nagarik Aawaz schafft Räume, in denen sich die Frauen sicher fühlen und ohne Angst oder Druck erzählen können – und geht einen Schritt weiter. Sie bindet die Söhne in die Treffen ein. So werden sie zu Verbündeten der betroffenen Mütter.

Ein wichtiges Ziel dieser Treffen ist, die Handlungsfähigkeit der Teilnehmer:innen zu stärken. Gemeinsam fordern die Überlebenden und ihre Nachkommen  Anerkennung und Reparationen von der Regierung.

Erfahren Sie mehr über unser Programm in Nepal.

Bin ich die Einzige, die diesen Schmerz durchmacht? Wenn ich hierherkomme und mir die Geschichten der anderen anhöre, wird mir klar, dass es nicht nur mir so geht.

Wenn ich von diesem Treffen nach Hause zurückkehre, möchte ich unbedingt die Geschichte meiner Mutter hören. Es ist wichtig für uns von der zweiten Generation, das Leiden unserer Mütter zu verstehen.

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